Das Gespensterinsekt

Thema: Museum
26. Februar

Im Naturmuseum arbeiten immer wieder Praktikant*innen mit und helfen bei unseren vielen Projekten und Tätigkeiten. Wir haben sie nun eingeladen auch beim Magazin beizutragen.

Das Gefühl von Ekel und Panik im ersten Moment: lange braune Insekten mit langen Fühlern und langen, langen Beinen. Wenn ich dich dann frage, ob du das „Viech“ halten möchtest, würdest du es auf die Hand nehmen?

 

Es ist das Unwissen, welches uns vor diesen Tieren Angst haben lässt. Durch den mangelnden Bezug zu Insekten generell verhält sich unsere Gesellschaft eher ablehnend, außer es geht um Schmetterlinge, Libellen und Honigbienen.

 

Häufig verbindet unser Nervensystem Unbekanntes wie unbekannte Insekten mit Gefahr, und so halten wir die Phasmiden, zu denen die Stabschrecken gehören, auf Distanz. Dabei fehlt uns das Gespür für das Lebensbedrohliche. Die Gespensterschrecken, Stabschrecken oder Phasmiden sind eine Ordnung pflanzenfressender, und wohlgemerkt, nicht menschenfressender Insekten.

 

Als ich während meines Praktikums im Naturmuseum die Aufgabe erhielt, mich um die Stabschrecken zu kümmern, meinte meine Tutorin dann: ,“Komm, nimm sie auf die Hand, trau dich!“ Ich fragte vorsichtig: „Beißen sie? Können sie mir ins Gesicht fliegen? Bewegen sie sich schnell und krabbeln mir über den Arm?“ Die Tutorin beruhigte mich. In mir verspürte ich Widerstand, trotzdem griff ich in Sekundenschnelle ins Terrarium. Ich hielt die erste Stabschrecke meines Lebens in der Hand. Ich hörte, dass es ein ausgewachsenes Tier ist. Die Stabschrecke war federleicht und kitzelte, als ich sie auf der Hand absetzte. Dieser Moment wurde von meiner Tutorin festgehalten. Das perfekte Beweisfoto! Mein Gesicht strahlt vor lauter Freude. Ich bin besonders erstaunt, wie ruhig diese Stabschrecke reagiert. Sie bewegt sich fast gar nicht und wenn sie sich bewegt, dann sehr, sehr langsam. Diese Gespensterschrecken sind eigentlich entspannte Tiere, ich kann mir im Nachhinein meine Angst nicht erklären.

 

Von diesem Moment an pflegte ich sie täglich und sehr gerne. Ich fand heraus, dass sie nicht nur entspannt, sondern auch pflegeleicht sind und sich gut als Haustier halten lassen. Das Museum hat sie von einer Ausstellung übrig, es ist keine heimische Art und man kann sie auch nicht einfach im Freien aussetzten. Sie brauchen das ganze Jahr über Wärme. Von Natur aus kommen sie in tropischen und subtropischen Gebieten vor.

 

Ich habe mich öfters gefragt woher diese Angst und der Ekel kommen. Ja klar, ich kannte die Gespensterschrecken nicht, konnte sie nicht einschätzen und habe sie nur als Gefahr für mich wahrgenommen. Und schon der Name Gespensterschrecke! Wer hat sich den Namen überlegt? (Wenn jemand die Antwort weiß, bitte mir mitteilen).

 

Ich finde es wichtig das Bewusstsein mitzubringen, was ist gefährlich für Menschen und was nicht. Als ich hörte, dass sie nicht großartig gefährliche Eigenschaften haben, konnte ich mich überwinden und habe sie akzeptiert. Ich habe keine Panik gegenüber Stabschrecken oder Spinnen. Wenn aber jemand an einer Spinnenphobie leidet, ist es sicher schwieriger. Was ich aber nicht verstehe, ist, kaum wird eine Spinne in der Wohnung entdeckt, wird sie meist getötet, meist eingesaugt. Spinnen haben ein hohes Schmerzempfinden und der Tod im Staubsauger ist gleich schlimm wie für uns der Tod im Hurrikan. Übrigens sind die Stabschrecken lärmempfindlich, schreckhaft und werfen ihre Beine ab, wenn sie gestresst sind.

 

Unser Forschungszentrum zu den Stabschrecken ist ein ganz gewöhnliches Büro. Ich habe beobachtet, wie eine frisch geschlüpfte Stabschrecke über meine Computertastatur spazierte. Sie wirkte jedoch außerhalb von ihrem Territorium (Terrarium) desorientiert. Ich habe sie mit einem Pinsel sofort zurück in ihr Terrarium transportiert, denn ich fürchtete, dass sie ihre Beine verliert.
Das, was ich sagen möchte, ist, dass nicht jedes Insekt, und nicht alle Tiere, so furchteinflößend sein mag, wie es oft scheinen mag. Ich würde mir wünschen, dass wir Menschen mit einer offeneren und bewussteren Haltung durchs Leben gehen und vor allem durch die Natur.

 

Also, bevor du kreischend wegläufst, schätze vorher die Lage ein!

 

Artikel von Sarah Meran Bisan (19), Girlan

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