Action nur, wenn nötig

5. August

Zu Besuch beim Hirten Daniel Paratschta

Die Schafe grasen, die Ziegen springen und drängeln, ein Happen hier, einer dort, und einige rupfen an einer jungen Lärche, ein Ziegenbock klettert sogar den Baumstamm hoch. Die Herde weidet auf der Malga Stivo im Trentino. Das Nordufer des Gardasees ist auch heute sichtbar, trotz der Feuchtigkeit, die vom See als Nebel nach oben zieht. Der Kontrast zwischen der Alm und dem Getriebe im Talboden ist immens.

Heute ist ein Filmteam zu Daniel Paratschta gekommen, Servus TV interessiert sich für Arbeitshunde, vor allem für die Schutzhunde. Daniel arbeitet seit 2012 mit Schutzhunden. Er stammt eigentlich aus Stern im Gadertal, er und seine vier Schutzhunde sind während der Almsaisonen im Trentino tätig. Monika von Servus-TV fragt ihn, wozu er die Schutzhunde braucht. Zuerst waren sie im Trentino nur gegen die Braunbären im Einsatz. Seitdem sich das Lessini-Rudel im Veneto gebildet hatte und Wölfe aus dem Piemont und der Schweiz einwanderten, muss ein Profi-Hirt das volle Programm beherrschen. Für einen Film ereignet sich auf dem Hang rechts des Ziegenstalles und der Almhütte wenig. Die großen Hunde liegen unter den Bergkiefern, sie lassen sich von den Ziegen, die hin und her federn, nicht aus der Ruhe bringen.

 

Eine bunte Herde

Daniels zwei Hütehunde treiben die Ziegen und die Schafe in die Mittagskoppel. Die Schutzhunde laufen mit der Herde mit, legen sich wieder zwischen die Wiederkäuer und dösen. Außenherum steckt Daniel einen flexiblen Zaun, sodass die Weidetiere beisammenbleiben, die Schutzhunde immer dazwischen. Den Pferch baut Daniel zu Mittag und über Nacht auf, die Weidetiere kauen nun wieder und ruhen aus. Am Vormittag und am Nachmittag ist er selbst bei den weidenden Ziegen und Schafen dabei, das ist geführter Weidegang. Dass Wölfe oder Bären untertags angreifen, erwartet sich Daniel nicht, aber er hat Ziegen und Schafe durch den Pferch daran gewöhnt als Herde zu bleiben. Ohne Herdenbildung hätte die Arbeit mit Schutzhunden keinen Sinn. Bei Regen treibt er mit den Hütehunden die Weidetiere in den Stall, der in der Nähe der Almhütte steht.

Monika möchte von Daniel wissen, wie viele Schutzhunde es braucht. In seiner gelassenen Art meint er, das hänge ganz davon ab, was zu tun sei. Bei wenig Druck von Beutegreifern, wenn nur einzelne Wölfe oder Braunbären durchziehen, reichen auch zwei Schutzhunde. Leben Wolfsrudel in nächster Nähe, nächste Nähe heißt bei den wendigen Wölfen auch 200 km2, dann braucht es ein mehrköpfiges Hundeteam.

 

Wolfspräsenz

Nachts oder bei Regen oder Nebel ist es anders, das ist Wolfszeit. „Merkst du, wenn sich Wölfe deinen Tieren genähert hatten?“ Ja, klar merken wir, wenn sich Wölfe genähert hatten. Wir hören die Schutzhunde bellen. Am nächsten Morgen sind die Schutzhunde aufgeregt, sie markieren das Gelände viel stärker als gewöhnlich.

Das Abwehr-Team

„Wie lernen die Hunde ihre Arbeit?“, will Monika wissen. „Ich habe bis auf Nebbia, die weiße Maremmani Abruzzese-Hündin, Schutzhunde von einem Züchter und Hirten, der nur Pastore della Sila verkauft. Es sind Hunde, die vor allem für Ziegen gezüchtet wurden, sie sind fast so agil wie die Ziegen, die sie durch die Berge der Sila begleitet hatten. Ich finde sie gut geeignet für unsere gebirgige Landschaft, die ja auch stark touristisch genutzt wird. Pastore della Sila hatten immer schon mehr Menschenkontakt, sie sind zugänglicher und weniger eigenwillig als andere Schutzhund-Typen. Die Welpen wachsen in der Herde auf. Sie lernen von ihren Eltern und den anderen Hunden den Umgang mit Weidetieren. In der Toskana, in Umbrien, in den Abruzzen, Latium oder Kalabrien lernen die Schutzhunde auch, was es heißt, Wölfe als Nachbarn zu haben. Je nach Charakter der Hunde verteilen sich dann die Rollen im Abwehr-Team. Meist reicht es schon, wenn Schutzhunde bei der Herde sind, die Wölfe riechen die Hunde, über ihre Nase erstellen sie ein „Bild“ der Abwehr. Meine Schutzhunde bleiben innerhalb des Pferchs und zeigen entsprechend Präsenz. Wölfe vermeiden, wo immer möglich, Kämpfe mit Hunden und ziehen ab, bisher war es jedenfalls so. Die Wölfe kommen wieder und überprüfen, ob du deine Arbeit gut gemacht hast. Sie finden deine Fehler immer.“

 

Gradwanderung zwischen scheu und menschenfreundlich

Wer eine Herde aufgebaut hat, kann auch mit wenig Zäunung arbeiten, vor allem im Hochgebirge, auf steilen Almflächen ist das von Vorteil. Ja, die Sache mit den Wanderwegen oder Radtrails. Brina, die schwarze Schutzhündin, streicht um Daniels Beine und schleckt seine Hände. Daniel meint, das gehe zu weit. Ein Schutzhund soll sich nicht auf Menschen fixieren. Seinen jüngsten Pastore, della Sila, Orso, hält er jetzt etwas mehr auf Abstand zu Menschen. Schilder weisen auf der Almfläche darauf hin, dass Schutzhunde hier arbeiten. Das heißt, wer wandert oder mit seinem Rad unterwegs ist, soll sich den Weidetieren nicht nähern. Das ist allgemein geboten, auch wenn keine Schutzhunde wachen. Radfahrer steigen vom Rad ab und schieben es vorbei, denn schnelle Bewegungen interpretieren die Hunde als etwas Auffälliges, es fordert sie heraus. Dort, wo die Herden sich ihre Weidegründe mit Freizeit-Aktiven teilen, lernen die jungen Schutzhunde früh, mit unbekannten Menschen und ihren Begleit-Hunden umzugehen. Es ist immer eine Frage der Sozialisierung. Kameramann Christoph bereitet die Drohne vor, um mit ihr die Bewegung der Ziegenherde von der Mittagskoppel zum Stall zu filmen. Daniel überlegt, wie die Schutzhunde auf die Drohne reagieren werden; er vermutet, sie werden abwehren, wie immer, wenn sie die Herde in Gefahr sehen.

Das wird sich zeigen, wenn der Film gesendet wird. Das Naturmuseum Südtirol, das in Zusammenhang mit LIFEstockProtect assistierte, wird Sendetermin und Link zum Dokumentarfilm bekannt geben.

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